Ralf Heinrich Arning

Der Website

Mag sein, daß es vergeblich ist, für eine bessere sprachliche Variante zu plädieren. Aber warum sollte man nicht von zwei vorhandenen Möglichkeiten die wählen, bekannter machen und stärken, die man für besser hält?
«Website» wird – von einem Häuflein Unverdrossener abgesehen – von den meisten Menschen als Femininum gebraucht. Die meisten sagen «die Website» und können sich von Wörterbuchredaktionen bestätigt fühlen. Bei der Suche im WWW findet man aber durchaus «der Website», und zwar im Nominativ.

Das Genus von Fremdwörtern

Machen wir die Sache nicht schwieriger, als sie schon ist und betrachten nicht näher die Lehnwörter, die bereits so stark ins Deutsche integriert worden sind, daß ihre fremdsprachliche Herkunft gar nicht mehr auffällt. Darunter finden wir schnell Wörter, die ein anderes Genus als in der Herkunftssprache haben. Genuswechsel kommt ja sogar bei Wörtern vor, die nie aus einer Fremdsprache entlehnt worden sind. Und auch die Endung liefert keine Gewißheit, welches Genus das richtige ist: Es heißt «das Erlebnis», aber «die Erkenntnis».

Manche Fremdwörter behalten bei der Übernahme ihr grammatisches Geschlecht, manche nicht. Das hat zum Teil damit zu tun, daß die Sprachen unterschiedliche Systeme des grammatischen Geschlechts haben. Das Französische kennt kein Neutrum. Im Englischen sind die meisten unbelebten Dinge Neutra. Das Deutsche kennt wie das Lateinische und Altgriechische Maskulinum, Femininum und Neutrum. Allein dadurch ergibt es sich von selbst, daß in vielen Fällen bei Übernahmen das Genus gewechselt wird. Aber selbst wenn die Genus-Systeme ähnlich sind, kommt es zu Verschiebungen. In jüngster Zeit kann man beobachten, daß sich eine Verunsicherung ausbreitet. Traditionell ist es so, daß Wörter aus dem Lateinischen oder Altgriechischen, die sich in der Form nicht ändern, insbesondere ihre Endung im Nominativ Singular behalten, das Genus nicht wechseln. Wörter, die auf -tor enden sind Maskulina, um ein Beispiel zu nennen. Diese Regelmäßigkeit steckt so tief im Sprachverständnis, daß es zu Irrtümern kommt, weil die Regel angewandt werden soll. Viele Wörter, die im Lateinischen auf -us enden, sind Maskulina. Manche denken, daß das für alle gelte. Deshalb meinen sie, es müßte «der Virus» heißen. Sie wissen nicht, daß es auch Neutra auf -us gibt, die nämlich einer anderen Deklinationsklasse angehören. Es heißt also «das Virus» und «das Genus». Vermutlich ist es der relative Rückgang der Lateinkenntnisse, der eine allgemeine Verunsicherung in dieser Frage auch im akademischen Milieu nach sich zieht.

Auf das lateinische Genus wird sogar zurückgegriffen, wenn ein Wort aus einer modernen Fremdsprache übernommen wird, und dort äußerliche Veränderungen gezeitigt hat, z. B. «college»; dies wird als Neutrum behandelt, wie das lateinische «collegium». Bei Wörtern, die auf -tor enden gilt das sowieso. Es spielt keine Rolle, ob es im Englischen eine Person bezeichnet und deshalb ein Maskulinum, oder eine Sache, und deshalb ein Neutrum ist. Wiederum ist in jüngerer Zeit eine Verunsicherung zu erkennen. So wird von manchen «die URL» gesagt, obwohl die Abkürzung für «Uniform Resource Locator» steht. Man macht daraus ein Femininum, obwohl es im Englischen ein Neutrum ist. Möglicherweise liegt hier eine Assoziation zu «Adresse» vor.

Bei Wörtern, die aus dem Französischen stammen, ist häufig ein Genuswechsel zu beobachten. Dabei wird nicht immer auf das Lateinische zurückgegriffen. Der Zusammenhang ist auch nicht offensichtlich. Das Paradebeispiel sind die Wörter auf -age : «montage», «garage», «hommage», «reportage», «étage» etc. – im Französischen Maskulina, im Deutschen Feminina. Die Endung -age geht auf die lateinische Neutrum-Endung -aticum zurück. Bekannt ist auch dieser Fall: Aus französisch «le tour» in der Bedeutung von ‹Runde, Rundfahrt› wurde «die Tour», während «la tour» «der Turm» ist. Und «das Restaurant» ist im Französischen ein Maskulinum.

Site – situs

Auch wenn in diesem Beitrag die Auffassung vertreten wird, daß es «der Site» zu heißen habe, ist angesichts der aufgelisteten Befunde der Hinweis darauf, daß es im Französischen «le site» heißt, daß es da also auch ein Maskulinum sei, kein schlagendes Argument, sondern bestenfalls eine Unterstützung. Ein Grund für das Femininum im Deutschen ist es umgekehrt aber auch nicht. Das Neutrum des englischen Wortes «the site», das wir ja übernommen haben, wird völlig vernachlässigt.

Es gibt nun durchaus die Fälle von Fremdwörtern aus dem Französischen, in denen die Regel angewandt wird, daß auf das Genus des Wortes im Lateinischen zurückgegriffen wird. So werden die Wörter auf -oire, deren entsprechende lateinische Endung -orium lautet, im Deutschen zu Neutra; Beispiel: «das Repertoire» vom lateinischen «repertorium», im Französischen «le répertoire».

Wenn man also von «der Site» spricht, wendet man diese Regel an. Denn auf lateinisch heißt es «situs» und ist ein Maskulinum der u-Deklination, wie auch «status» und «casus». Sagt man dagegen «die Site», gibt man dem Wort nach dem Maskulinum im Lateinischen und Französischen (und anderen romanischen Sprachen) und dem Neutrum im Englischen nun noch das Femininum, was nicht nur nicht nötig ist, sondern auch noch verwirrend. Denn von der Bedeutung bleibt nichts mehr sichtbar.

Bedeutung

Das englische Wort «site» ist über das französische «le site» aus dem Lateinischen gekommen und bedeutet dort soviel wie: ‹Lage, Stellung, Örtlichkeit›, z. B. von Städten oder Gebäuden, auch ‹(zu langes) Liegen› und damit das, wozu es dabei kommt: ‹Ablagerung, Rost›. Wie immer, wurde auch bei der Entlehnung dieses Wortes nur ein Teil des Bedeutungsspektrums übernommen, das sich dann in der Zielsprache neu erweitert.

«Le site» ist ‹die Landschaft›, die näher bestimmt wird als alpin, großartig, malerisch, oder es ist ‹der Standort, das Gelände, das Gebiet› von Firmen, einer Stadt, der Industrie. In neuerer Zeit ist damit auch der Ort oder die Einrichtung gemeint, wo ein Computer eingebaut ist. Hier wirkt auf das Fransösische sicher das Englische zurück, wohin zunächst das Wort gelangt ist.

«The site» ist der ‹Ort, an dem etwas stattfindet oder stattfand; ein Bauplatz, Gebiet, Gelände, Schauplatz, eine Stätte›. Auch hier ist der Bedeutungskern die Örtlichkeit. Mit «site» verweist man auf einen Ort oder ein Gebiet, wo etwas ist. Das Wort darf nicht verwechselt werden mit «side» im Sinne des deutschen Wortes «Seite» (sofern nicht die Buchseite gemeint ist). Damit hat «site» nichts zu tun. Ein anderes ähnlich klingendes Wort ist «sight», auf deutsch ‹Sicht› oder ‹Sehenswürdigkeit›. Selbstverständlich können Schauplätze oder historische Stätten Sehenswürdigkeiten sein. Deren Seiten sind vielleicht sogar von besonderem Interesse. So ist in Berlin die Eastside Gallery in der Nähe des Ostbahnhofs ein Site, den Touristen bei ihrem Sightseeing aufsuchen. Dadurch werden diese Wörter aber nicht gleichbedeutend.

Web site

Im Englischen wurde «web site» gebildet, nachdem mit «web» ein kurzes Wort für den Teil des Internets gefunden war, der mit HTTP oder HTTPS genutzt wird, das «world wide web», in dem man mit Hilfe von «Browsern» Stellen aufruft, die einem Informationen bieten. Die Technologie hat eine Doppelbödigkeit geschaffen, die das Verständnis der Sache nicht erleichtert und den richtigen Gebrauch der betreffenden Wörter erschwert. Aber diese Doppelbödigkeit ist der Witz des Internets. Es gibt die Rechenmaschinen, Festplatten, Leiterplatten, Kabel und Leitungen. Sie befinden sich körperlich an bestimmten Orten, Sites, an denen ihre besondere Einrichtung ermöglicht, daß Daten geordnet, in andere Weltgegenden übertragen und auf Bildschirmen oder Ausdrucken sichtbar werden. Es gibt eine zweite sichtbare Welt, die durch die erste, die auch sichtbar ist, hergestellt werden kann. Die allermeisten Nutzer des Internets haben nur etwas mit der zweiten Welt zu tun. An die erste erinnert nur ihr eigener Computer. Daß der mit anderen Rechnern erst verbunden sein muß, um die gewünschte Information darzustellen, entzieht sich der Aufmerksamkeit. Sie meinen, sich nur in der zweiten Welt zu bewegen, wenn sie mit Links andere Seiten aufrufen. Tatsächlich veranlassen sie ihren Browser, auf andere Sites zuzugreifen, also die erste Welt zu benutzen. Es gibt mit der Einführung des Internets, insbesondere des world wide webs, gewissermaßen zwei Welten, in denen man die Websites suchen könnte: die Welt der Hardware und die Welt der vernetzten Information, die sich auf Bildschirmen anzeigen läßt. Die zweite ist aber nur durch die erste möglich, und das nur, weil diese dazu eingerichtet wurde, weil die nötigen Dateien geladen wurden. Was man auf dem Bildschirm hat, wenn man einen entfernten Website aufgerufen hat, ist nicht der Website, sondern das, was er liefert. Es fällt aber auch im Englischen manchem schwer, diesen Unterschied zu erkennen.

Web site – web page

Und so findet man auf den viele Millionen Seiten im englischsprachigen WWW durchaus auch solche Texte, in denen die beiden Begriffe web site und web page durcheinandergebracht werden. Der Ort wird mit dem verwechselt, was es zu sehen gibt, und das, obwohl das Englische zu einer solchen Verwechslung nicht verleitet.

Meistens ist mit «web page» aber doch das einzelne HTML-Dokument innerhalb eines größeren Angebotes gemeint. So haben die Mitarbeiter einer Firma oder Organisation ihre persönliche web page innerhalb des gesamten Angebots an Informationen, das auf einem web site zusammengefaßt ist. Oder es gibt web pages für einzelne Produkte eines Unternehmens. Die «home page» ist die Anfangs- oder Einstiegsseite, vergleichbar mit der Titelseite oder dem Inhaltsverzeichnis eines Buches oder Kataloges.

Daß man dies «page» beziehungsweise «Seite» nennt, ist für den bloßen Betrachter leicht verständlich. Es handelt sich um eine Metapher. Wesentliche Elemente des Begriffs ‹Seite› in einem Buch oder einer Zeitschrift wurden auf das übertragen, was man auf dem Bildschirm sieht: Es sieht ähnlich aus und erfüllt ähnliche Funktionen. Deshalb ist diese Bedeutungserweiterung sinnvoll, auch wenn einiges vom herkömmlichen Begriff auf der Strecke geblieben ist. Eine Buchseite hat eine Rückseite. Das fällt einem im Deutschen besonders deshalb auf, weil die bedruckte oder beschriebene Seite nur ein besonderer Fall von ‹Seite› überhaupt ist. Im Englischen oder Französischen ist das anders, da es dort jeweils ein Wort für die Buchseite gibt, «page» beziehungsweise «la page» von lateinisch «pagina». Diese Wörter haben nichts mit ‹Seite›, englisch «side», zu tun. Die Bedeutungserweiterung wurde deshalb nicht gehemmt.

Daß Seiten am Bildschirm entstehen, ist bereits aus Vor-Internet-Zeiten bekannt und ist heute völlig üblich. Die Veröffentlichung im WWW ist eigentlich nur ein Sonderfall. Bücher, Zeitschriften, Kataloge, Flugblätter werden heute am Computer produziert. Und auch dabei ist es möglich bis üblich, daß das, was man auf dem Bildschirm sieht und was der Drucker auf der Seite eines Blattes Papier druckt, aus mehreren Dateien zusammengesetzt ist. Der Computer setzt für die Ausgabe am Bildschirm oder für den Druck beispielsweise Graphiken an die richtige Stelle im Text ein. Der Betrachter einer Illustriertenseite merkt davon nur weniger als der einer web page. Die Entstehung der Seiten aus Einzelteilen ist auf dem Bildschirm häufig beobachtbar, wenn man sie aufruft.

Sachliche Vermengung von page und site

Für den Produzenten, der mehr als der Rezipient die Bauteile statt des Ergebnisses im Blick hat, verschwimmt der Unterschied zwischen «page» und «site». Er denkt an die vielen Dateien und Ordner und deren Beziehungen zueinander. Er verliert leicht die Übersicht. Die Erscheinung von etwas als «Seite» auf den Bildschirmen der Nutzer und das geordnete Ensemble von Dateien auf einem entfernten Server fällt für den Websitebetreiber zusammen. Denn er sitzt im allgemeinen an einem Computer, wie ihn auch die Nutzer seines Angebots verwenden. Das Verzeichnis der Dateien und vielleicht sogar deren Quellcode bringt er direkt mit dem Ergebnis zusammen. Je mehr die Gestaltung des Sites und die Gestaltung der Seiten Programmen überlassen wird, desto mehr verschwindet der Unterschied zwischen page und site aus dem Bewußtsein. Und so ist es nicht verwunderlich, daß bereits im Englischen die Begriffe vermengt werden. Zwangsläufig ist das allerdings nicht.

Im Deutschen wird die Verwechslung nicht erst durch den Klang der Wörter provoziert. Die Sache war vielen von vornherein nicht klar. Wieso redet man überhaupt von page? Was man sonst auf einem Bildschirm sieht, nennt man auch nicht so.

In den Anfangszeiten des WWW war «Homepage» als Fremdwort stark verbreitet. Dabei war bereits meistens nicht die Bedeutung klar, die «home» hier hat. Die Anwendung HyperCard von Apple, die bereits mit dieser Metapher spielte, ist nicht so bekannt gewesen. (Sie hat, nebenbei, auch andere Ideen von HTML vorweggenommen und wird manchmal auch als dessen Vorstufe angesehen.) «Home» ist der Ausgangspunkt, von wo aus man Ausflüge macht. In Browsern kann man noch immer eine beliebige Seite als «Homepage» bestimmen, von wo aus man seine Ausflüge ins Internet beginnen möchte und wohin man leicht zurückkehren kann, wenn man sich verlaufen hat. Diese Idee ist aber im Deutschen gar nicht verstanden worden. Eine «Homepage im Internet haben», das hieß, daß man bei einem Provider Platz gemietet hat, auf dem man mehrere bis viele Seiten für das WWW bereit hielt. Man meinte bereits einen Website, einen Platz im Netz, ehe man das Wort kannte und dann auch noch falsch verstehen konnte. Man hätte es freilich merken können, daß es mit «home» irgendetwas Besonderes auf sich hat. Denn die Dateiendung «home.html» erfüllte auch damals die Funktion, eine Seite als Eingangsseite zu bestimmen. Man kann die Verwirrung über das Wort «Homepage» schließlich an den verzweifelten Versuchen nach einer Übersetzung erkennen; ganz schlimm: «Heimatseite». Das ist nun wirklich nicht die Bedeutung von «home page».

Man hatte in der Schule die Bedeutung von «page» gelernt. Aber die Übertragung auf das neue Medium gelang nicht, weil die Verknüpfung mit anderen Wörtern, zunächst mit «home», nicht mitvollzogen werden konnte. Man kannte nicht die Bedeutung, sondern hatte nur undeutliche Vorstellungen von «irgendwie irgendwas im Internet zeigen».

Nun ging die Entwicklung auch in den englischsprachigen Ländern weiter. Nicht nur Organisationen, Firmen, Universitäten präsentierten sich im WWW mit mehr als einer Seite. So gelangte das Wort «web site» aus der Fachsprache der Netzwerkverwalter in die Alltagssprache. Man mietet bei einem Anbieter «web space», also Platz, an, auf dem man ein Angebot einrichtet, das über das WWW von anderen in der Welt aufgerufen werden kann. Für diese Nutzer stellt sich das häufig wie eine größere Anzahl an Seiten dar, wenn es auch bekanntlich Präsentationsformen gibt, die an anderes erinnern, an Diashows, Filmvorführungen oder Schulunterricht mit Tonbeispielen. Hier weicht der Begriff der Seite weiter auf. Es scheint weniger um Seiten als um einen Ort, wo etwas passiert, zu gehen. Dennoch bleibt eine wesentlicher Unterschied erhalten. Was jemand auf seinem Bildschirm sieht, ist nicht dasselbe wie das, was auf einem entfernten Computer installiert wurde, damit es aufgerufen werde. Die Voraussetzung ist nicht die Folge. Die Unterscheidungsmerkmale bleiben bestehen.

«Web pages» sind die Angebote im WWW, die gedruckten Seiten ähneln, insofern sie bei ihrer Darstellung einen linken und rechten Rand haben und nach oben und unten begrenzt sind. Das kann man getrost «Seiten» nennen.

Ein «web site» ist ein ‹site› im «web». Dieses Gewebe besteht nicht einfach aus den Links, die man anklicken kann, nicht aus den vielen Dateien, auf die man per Mausklick gelangt, sondern es besteht zunächst einmal aus Computern mit Kabel- und Funkverbindungen Wer einen Website «hat», der verfügt über einen Ort, gleichsam einen Bauplatz oder Standort, auf dem er seine Dateien für das WWW laden kann und von wo sie abgerufen werden können. Nichts von dem, was technisch mittlerweile möglich ist, hat etwas daran geändert, daß es Platz auf mindestens einem Rechner geben muß, der ans Internet angeschlossen ist. Die lokale Bedeutung von «Website» ist geblieben. Auch im Deutschen ist damit nichts anderes gemeint als im Englischen oder sonst einer Sprache der Welt, und zwar keineswegs eine Seite.

Umgekehrt ist es vielmehr häufig so, daß das, was als eine Seite auf einem Bildschirm im WWW erscheint, vom Browser von verschiedenen Websites im Internet zusammengesucht und geordnet werden muß. Er lädt es auf den Rechner, auf dem er installiert ist. Dieser Rechner ist selbst ein Site im Internet, aber im allgemeinen kein Website in dem Sinne, daß er für das WWW etwas anbietet. Das kommt nur relativ selten vor. Auf dem Computer des Nutzers werden dann die Einzelteile zu einer Seite zusammengeführt. Ein Drittes ist das, was etwas verkrampft «Webauftritt» oder «Webpräsenz» genannt wird. Damit ist die Einheit aller Web-Seiten gemeint, die sie auf den Bildschirmen der Nutzer darstellen lassen. Das Material dazu, also die Daten, Dateien und Programme, die zur Erzeugung erforderlich sind, müssen nicht auf einem einzigen Website eingerichtet, sondern können auf mehrere verteilt sein. Sie können nicht nur – es ist bei größeren Projekten die Regel.

Die falsche Freundin

Mögen also dieser Unterschied bereits der Sache nicht klar sein, mag den Deutschen nicht klar sein, warum eine Bildschirmdarstellung «page» oder «Seite» heißt, mag ihnen die Bedeutung des englischen Wortes «site» unbekannt sein, fast vollständig ist die Verwirrung dadurch, daß die Wörter «site» und «Seite» sehr ähnlich klingen. Wie selbstverständlich hat man denselben Artikel vor das Fremdwort gesetzt und die Verwirrung damit besiegelt. Manchmal wird sogar die Auffassung vertreten, daß «Webseite» die deutsche Übersetzung von «web site» wäre. Das ist beinahe ein Musterfall für die falsche Assoziation zweier Wörter aus verschiedenen Sprachen, die ähnlich klingen, aber anderes bedeuten. Man nennt ein Wort, das wegen seines Klanges eine falsche Bedeutung annehmen läßt, einen falschen Freund. Hier ist «Seite» die falsche Freundin. Solch einer falschen Freundin muß man so wenig treu bleiben wie einer Heiratsschwindlerin.
Es ist aber nur beinahe ein Musterfall, weil die Mißverständnisse schon da waren, als noch gar nicht von «web site» die Rede war.

Folgerungen

Dies legt den Verdacht nahe, daß denjenigen, die «die Website» sagen, der Unterschied zu «die Webseite» gar nicht klar ist. Wer sich aber klar und deutlich ausdrücken will, orientiert sich nicht an denen, die nicht genau wissen, was sie sagen. Damit ist das Motiv gegeben, mit der Wahl des Maskulinums für «Website» sprachlich deutlich zu machen, daß von zwei Dingen die Rede ist, die zwar sachlich zusammenhängen, aber doch nicht dieselben sind. Man kann leicht das Maskulinum wählen, weil man damit nur anwendet, was häufig bei der Übernahme von Wörtern aus Fremdsprachen geschieht: Man geht auf Vorläufersprachen, zum Beispiel Latein, zurück, und nimmt das Genus, das das Wort dort hat. Warum sollte man es vermeiden, mit einem üblichen Verfahren einer Verwechslung zu entgehen?

Text: Ralf Heinrich Arning Erstveröffentlichung: 08.09.2009
Letzte Änderung: 20.12.2009
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Gestaltung und Inhalt: Ralf Heinrich Arning Erstveröffentlichung: 08.09.2009 Letzte Änderung: 17.11.2011
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