Der Tintenteufel
|
Es wollt’ ein finstrer Bücherwurm
|
Ein heitres Werkchen schreiben,
|
Und lief recht auf sich selber Sturm,
|
Die Arbeit zu betreiben.
|
Er trat, wie in ein Labyrinth,
|
Aus seinen alten Schranken,
|
Und jagte hitzig, toll und blind
|
Nach lustigen Gedanken.
|
Doch vor dem plumpen Jäger schwand
|
Dieß Volk von Schmetterlingen,
|
Und ließ sich nicht durch Kiel und Hand
|
Auf seinen Bogen bringen.
|
Der Musen Eigensinn verlieh
|
Ihm nichts als trockne Beute.
|
Er fand, trotz aller seiner Müh’,
|
Kein Witzwort, das ihn freute.
|
So schrieb er bis um Mitternacht,
|
Zerriß dann seine Blätter,
|
Und fluchte, schrecklich aufgebracht,
|
Ein grasses Donnerwetter.
|
Urplötzlich lacht’ es: hi! hi! hi!
|
In seiner düstern Stube.
|
Bestürzt sah er sich um und schrie:
|
„Was neckt mich für ein Bube?“
|
Es lachte wieder: ha! ha! ha!
|
Er griff nach seinem Degen,
|
Und hieb ins Blaue hier und da,
|
Den Spötter zu erlegen.
|
Doch stärker lacht’ es: ho! ho! ho!
|
Da seufzt er mit Erstarren:
|
„Was ist das? Lach’ ich selber so?
|
Studiert’ ich mich zum Narren?“ —
|
Und als er so bedonnert stand,
|
Sah er, durchströmt von Schauern,
|
Auf seines Tintenfasses Rand
|
Ein seltsam Wesen kauern.
|
Es hatte Hörner, Schweif und Klau’n
|
Und andre Teufelszeichen,
|
Und war den Galgenmännlein, traun!
|
An Größe nur zu gleichen.
|
„Heb dich hinweg, du Höllensohn!“
|
Rief der Gelehrt’ im Grimme.
|
„Nein!“ sprach das Ding mit keckem Ton:
|
„Hier hab’ ich sitz und Stimme.“ —
|
„Auf meinem Tintenfaß? du Wicht!
|
Ist das ein Platz für Geister?“ —
|
„Ja freilich! Weiß Er das noch nicht?
|
Er, ein so alter Meister!
|
Umnebelt sitzen immerfort
|
Verschlagene Gesellen,
|
Von meiner Gattung, an dem Bord
|
Der schwarzen Bücherquellen.
|
Allein nicht jedes Tintenfaß
|
Gehört in unsern Sprengel.
|
Auf manchem hockt auch wohl, als Saß,
|
Ein ehrbarlicher Engel.
|
Wir pflegen übrigens nicht bloß
|
Gähnaffen feil zu haben.
|
Nein, wir beschenken ruhelos
|
Die Welt mit schönen Gaben.
|
Denn, gleich wie Segel, Strom und Wind,
|
Ein Schifflein mächtig treiben,
|
So muß, wie wir gelaunet sind,
|
Der Schriftverfasser schreiben.
|
Ich, ohne Ruhm zu melden, bin
|
Ein sehr ernsthafter Teufel,
|
Und schicke mich mit solchem Sinn
|
Nach Deutschland sonder Zweifel.
|
Er, Herr Magister, ließ auch fein
|
Bis jetzt von mir sich lenken.
|
Erst heute fiel’s dem Querkopf ein,
|
Auf Possenwitz zu denken.
|
Drum stemmt’ ich meine ganze Macht
|
Der tollen Wuth entgegen,
|
Hab’ Ihn auch tüchtig ausgelacht,
|
Und alles von Rechts wegen.“ —
|
„Was hört man nicht im Lebenslauf!“
|
Rief Jener. „Sprichst du Wahrheit,
|
So geht ein neues Licht mir auf,
|
Und setzt mir viel in Klarheit.
|
Wenn auf des Schreibers Egg’ und Pflug
|
Der Hölle Kinder thronen,
|
Was Wunder denn, daß Lug und Trug
|
In tausend Schriften wohnen?
|
Was Wunder, daß die Selbstsucht drin
|
Mit ehrner Stirn sich bäumet,
|
Und Bosheit ihren Geifer hin
|
Auf Recht und Wahrheit schäumet?
|
Was Wunder die Parteilichkeit
|
Schamloser Kritikaster? —
|
Ihr frechen Tintenteufel seyd
|
Die Väter dieser Laster!
|
Nur will mir Eins nicht in den Kopf:
|
Man nennt euch klug wie Schlangen,
|
Und dennoch scheint vom dümmsten Tropf
|
Manch Giftblatt ausgegangen.
|
So unklug sollte Satanas
|
Den alten Ruhm nicht wagen,
|
Und wenigstens vom Tintenfaß
|
Die dummen Teufel jagen.“ —
|
August Friedich Ernst Langbein
|