Ralf Heinrich Arning
Die Eule.
Einsam, tief im dunkeln Forst,
Zwischen Stacheleich’ und Ginster,
Saß, zum Sterben still bereit,
Eine Eule, alt und finster.
Kam ein brauner Edelfalk
Angeflogen bei der Kranken,
Ihr zu spenden guten Trost
Mit Unsterblichkeitsgedanken:
Freue dich, aus dunkler Nacht
Zu der Sonne aufzufahren,
Wo die Falken hell im Licht
Kreisen mit den Königsaaren.
Auch ein frommes Täubchen kam,
Um der Feindin zu vergeben:
Wenn du erst gestorben bist,
Dann beginnt ein bess’res Leben.
In der Unschuld Lichtgewand
Darfst du mit den Turteltauben
Zärtlich gurren, schnäbeln auch,
Im Gezweig der Roselauben.
Selbst ein Esel stand bereit,
Sie mit seinem Trost zu quälen,
Denn bei unserm Herzeleid
Dürfen nie die Esel fehlen.
Sprach: Geduld! es wird der Hirt
Für der Erde Last und Qualen
Deinen Lohn dir dort mit Heu
Und mit Disteln ausbezahlen.
Sterbend rief die Eule aus:
Ach ich will’s euch redlich sagen:
In stockfinstrem Paradies
Möcht’ ich fette Mäuse jagen.
Adolf Kußmaul
Jugenderinnerungen eines alten Arztes. Mit dem Porträt des Verfassers nach einem Gemälde von Franz Lenbach. Stuttgart: Bonz 1899, S. 473 f.
Textauswahl und -erfassung
Ralf Heinrich Arning
Erstveröffentlichung: 23.03.2010
Letzte Änderung: 09.08.2011
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Gestaltung und Textauswahl: Ralf Heinrich Arning Erstveröffentlichung: 23.03.2010 Letzte Änderung: 17.11.2011
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