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Der Weltschöpfer
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A ls Knabe war Gottlieb ein kleiner Teufel,
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An Schelmenstücken kam kein Andrer ihm nah,
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Und immer war er, ganz sonder Zweifel,
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Wo irgend im Dorf’ etwas Dummes geschah.
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Drum mocht’ auch geschehen, was immer wollte,
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So mußt’ es Gottlieb gewesen seyn;
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Und daß er sogleich es gestehen sollte,
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War’s üblich, ihn mächtiglich durchzubläun.
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Dieß machte, daß er, um dergleichen Gebühren
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Nicht zwier zu empfahen, sogleich gestand. —
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Einst wollte der Pfarrer ihn examiniren,
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Da dunkelt’ es plötzlich um seinen Verstand.
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Ernst frug, wer die Welt erschaffen habe,
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Der Pfarrer mit strengem Angesicht;
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Und höchlich erschrocken rief der Knabe:
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„Das, Herr Magister, das weeß ich nicht!“
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Da zürnte der Pfarrer: du schlimmer Geselle,
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Sprich, wer hat die Welt erschaffen? Sprich!
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Und sagst du mirs nicht gleich auf der Stelle,
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Zerprügl’ ich den Rücken dir jämmerlich.
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Da glaubte der Bub’, er wäre verlesen,
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Und schluchzte: Ach, laß er den Ziemer nur ruhn!
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Ich will’s ja gestehen, ich bin es gewesen,
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Und will es auch nimmermehr wieder thun.
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Theodor Körner
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Theodor Körner, «Der Weltschöpfer», in: Taschenbuch zum geselligen Vergnügen, Herausgegeben von W. G. Becker, Zwei und Zwanzigster Jahrgang 1812, Mit Königl. Sächsischem allergnädigstem Privilegio, Leipzig bei Johann Friedrich Gleditsch, S. 294 f.
Die Rechtschreibung wurde beibehalten, die Typographie, wie Ligaturen und langes S, wurde vernachlässigt.
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Textauswahl und -erfassung
Ralf Heinrich Arning
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Erstveröffentlichung: 07.09.2009
Letzte Änderung: 07.09.2009
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